Was sind die Besonderheiten des Schlafhormons Melatonin?

Was zeich­net das Schlaf­hor­mon Mela­to­nin aus?

Lese­dau­er 5 Minu­ten

Guter Schlaf ist ein Geschenk. Das wis­sen vor allem jene, die nicht damit geseg­net sind: Statt mor­gens gut gelaunt und vol­ler Taten­drang auf­zu­wa­chen, sind sie kraft­los, unkon­zen­triert und gereizt. Schläft man dau­er­haft zu wenig, wird der Schlaf­man­gel zum beherr­schen­den The­ma. Mela­to­nin, ein kör­per­ei­ge­nes Hor­mon, kommt da wie geru­fen: Es gilt als sanf­tes Schlaf­mit­tel mit weni­gen Neben­wir­kun­gen. Doch wie gut wirkt das Hormon?

Mela­to­nin ist ein kör­per­ei­ge­nes Hor­mon, genau­er gesagt ein Neu­ro­trans­mit­ter. Die­ser wird im Gehirn in der Zir­bel­drü­se pro­du­ziert. Auch in ande­ren Struk­tu­ren wird Mela­to­nin gebil­det, zum Bei­spiel in der Netz­haut, im Darm, in der Haut, in Blut­plätt­chen sowie im Kno­chen­mark. Die­se Pro­duk­ti­ons­or­te sind aber eher nebensächlich.

Aus­ge­schüt­tet bei Dun­kel­heit signa­li­siert Mela­to­nin dem Kör­per, dass es Nacht ist. Ent­deckt wur­de das übri­gens Schlaf­hor­mon 1958 von dem ame­ri­ka­ni­schen Der­ma­to­lo­gen Aaron B. Ler­ner. Bereits bei der Ent­de­ckung erkann­te Ler­ner die müdig­keits­för­dern­de Wir­kung beim Menschen.

Die Bio­syn­the­se unter­liegt dem zir­ka­dia­nen Rhyth­mus. Das bedeu­tet, dass sei­ne Syn­the­se der so genann­ten inne­ren Uhr folgt, die unge­fähr dem 24-stün­di­gen Tages­rhyth­mus ent­spricht. Die­se Inne­re Uhr wird vom täg­li­chen Hell-Dun­kel-Wech­sel beein­flusst. Was genau die inne­re Uhr ist, erfährst Du in unse­rem Arti­kel “Die Inne­re Uhr”.

Mela­to­nin wird aus Sero­to­nin syn­the­ti­siert, wel­ches wie­der­um aus der Ami­no­säu­re Tryp­top­han gewon­nen wird. Tryp­top­han wird vom Men­schen mit der Nah­rung auf­ge­nom­men. Die Mela­to­nin-Pro­duk­ti­on wird über ein soge­nann­tes Schritt­ma­cher-Enzym regu­liert. Die­ses Enzym ist tags­über weni­ger aktiv als nachts, weil es durch die kör­per­ei­ge­ne Rhyth­mik des Gehirns und das direk­te Licht gehemmt wird.

Licht am Tag hemmt kurz gesagt die Pro­duk­ti­on des Schlaf­hor­mons. Bei Dun­kel­heit in der Nacht nimmt die Pro­duk­ti­on zu. Licht­sin­nes­zel­len im Auge erken­nen Hel­lig­keit und geben die­se Infor­ma­tio­nen an das Gehirn wei­ter. Dies stellt den inne­ren Takt­ge­ber dar und wird vom Licht beein­flusst. Dort hemmt die Infor­ma­ti­on Licht die Aus­schüt­tung von Mela­to­nin. Dun­kel­heit in der Nacht hebt die­se Hem­mung auf und die Zir­bel­drü­se schüt­tet Mela­to­nin aus. Die Mela­to­nin-Kon­zen­tra­ti­on im Blut steigt im Lau­fe der Nacht an und erreicht gegen drei Uhr mor­gens einen Höhe­punkt. Inter­es­sant ist, dass die Hor­mon-Aus­schüt­tung auch in tota­ler Dun­kel­heit einer Rhyth­mik unter­liegt. In Ver­su­chen zeig­te sich, dass wei­ter­hin Mela­to­nin rhyth­misch aus­ge­schüt­tet wird und der Kör­per so ganz ohne Licht für einen Tag-Nacht-Rhyth­mus sor­gen kann.

Einfluss von Sonnenlicht und Dunkelheit auf die Melatonin- und Serotoninproduktion - Infografik
Ein­fluss von Son­nen­licht und Dun­kel­heit auf die Mela­to­nin- und Serotoninproduktion

Der west­li­che, moder­ne Lebens­stil rich­tet sich schon lan­ge nicht mehr nach den eigent­li­chen Tages­zei­ten, dem Son­nen­auf- und Son­nen­un­ter­gang. Für Jahr­mil­lio­nen schlie­fen Men­schen bei Nacht und Dun­kel­heit und erle­dig­ten im siche­ren Tages­licht ihre Arbeit. Die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­re­vo­lu­ti­on und die mitt­ler­wei­le fast über­all auf der Welt vor­herr­schen­den Leis­tungs­ge­sell­schaf­ten bestehen. Sie sor­gen ins­be­son­de­re für eine Ver­zer­rung des natür­li­chen Bio­rhyth­mus, der inne­ren mensch­li­chen Uhr. Das Auf­ste­hen lan­ge bevor es hell wird, lan­ge Tage im Büro und das Zubett­ge­hen lan­ge nach­dem es wie­der dun­kel gewor­den ist, sind häu­fig ver­ant­wort­lich für Stö­run­gen in der natür­li­chen Mela­to­nin-Aus­schüt­tung sor­gen und kön­nen die hor­mo­n­a­le Balan­ce in ein Ungleich­ge­wicht bringen.

Melatonin Konzentration im menschlichen Körper im Tagesverlauf - Infografik
Mela­to­nin Kon­zen­tra­ti­on im mensch­li­chen Kör­per im Tagesverlauf

Die Haupt­funk­ti­on im mensch­li­chen Kör­per ist die Sicher­stel­lung eines Schlaf-Wach-Rhyth­mus. Die ver­mehr­te Aus­schüt­tung von Mela­to­nin bei Dun­kel­heit sorgt für Müdig­keit und indu­ziert Schlaf. Wei­ter­hin beein­flusst das Hor­mon eine Rei­he ande­rer Vor­gän­ge im Kör­per. Es senkt den Stoff­wech­sel­um­satz, die Kör­per­kern­tem­pe­ra­tur, den Blut­druck und kur­belt die Pro­duk­ti­on von ver­schie­de­nen Sexu­al­hor­mo­nen an. Die kör­per­ei­ge­ne Abwehr, sowie das Gedächt­nis und Ler­nen sol­len auch posi­tiv beein­flusst wer­den. Außer­dem ist Mela­to­nin an eini­gen wei­te­ren Vor­gän­gen betei­ligt: Es beein­flusst die Immun­ab­wehr und wirkt als Anti­oxi­dans. Zudem spielt es eine Rol­le bei Blut­ge­rin­nung und Regu­la­ti­on des Zucker-Stoffwechsels.

Gedächt­nis und Lernen

Guter Schlaf ist wich­tig für das Gedächt­nis und das Ler­nen neu­en Wis­sens und neu­er Fähig­kei­ten. Der Theo­rie der syn­ap­ti­schen Plas­ti­zi­tät nach ver­än­dert sich unser neu­ro­na­les Netz im Gehirn ste­tig und passt sich neu­en Anfor­de­run­gen an. Ein Groß­teil die­ser Vor­gän­ge scheint wäh­rend des Schla­fes zu pas­sie­ren, sodass ein gestör­ter Tag-Nacht-Rhyth­mus sich nega­tiv auf unse­re Neu­ro­nen aus­wir­ken kann.

Mela­to­nin im Kampf gegen Krebs

Ver­schie­de­ne Stu­di­en wei­sen dar­auf hin, dass Mela­to­nin eine Wirk­sam­keit in der Bekämp­fung ver­schie­de­ner Krebs­ar­ten haben könn­te. Dazu zäh­len ins­be­son­de­re Krebs-Erkran­kun­gen der fol­gen­den Organe:

  • Darm
  • Magen
  • Mund
  • Pro­sta­ta
  • Eier­stock
  • Gebär­mut­ter
  • Brust
  • Lun­ge
  • Bauch­spei­chel­drü­se
  • Leber
  • Nie­re

Dabei könn­te das Schlaf­hor­mon ver­schie­de­ne Gene und Enzy­me im Kör­per krebs­kran­ker Men­schen her­un­ter regu­lie­ren und so zum Bei­spiel die Wirk­sam­keit einer zeit­gleich ange­wand­ten Che­mo­the­ra­pie stär­ken. Dabei soll es gleich­zei­tig die Neben­wir­kun­gen einer Che­mo­the­ra­pie ver­min­dern. Außer­dem wirkt es über die bei­den Mela­to­nin-Rezep­to­ren, MT1 und MT2, auf ver­schie­de­ne wei­te­re Pro­zes­se. So ver­hin­dert es zum Bei­spiel die Neu­bil­dung von Blut­ge­fä­ßen, die die Krebs-Zel­len ernäh­ren. Für einen kli­ni­schen Ein­satz von Mela­to­nin als Medi­ka­ment gegen Krebs bedarf es der­zeit aller­dings noch wei­te­rer For­schung. Dabei müs­sen unter ande­rem Wirk­sam­keit und Sicher­heit des Medi­ka­ments wei­ter unter­sucht werden.

Mela­to­nin als Antioxidans

Wie oben bereits erwähnt, wirkt Mela­to­nin als Anti­oxi­dans. Anti­oxi­dan­zi­en fan­gen soge­nann­te freie Radi­ka­le ein. Freie Radi­ka­le sind che­mi­sche Ver­bin­dun­gen, die in jedem Kör­per bei phy­sio­lo­gi­schen Vor­gän­gen ent­ste­hen kön­nen und für den Kör­per schäd­lich sind. So sind sie unter ande­rem an der Ent­ste­hung von Krebs betei­ligt. Anti­oxi­dan­zi­en gel­ten daher als wirk­sa­me che­mi­sche Ver­bin­dun­gen mit einer posi­ti­ven Wir­kung gegen­über Stress, Altern und Krebs. Die Wir­kung des Schlaf­hor­mons in die­sen Ein­satz­ge­bie­ten ist der­zeit Inhalt vie­ler Stu­di­en. Dabei hat sich gezeigt, dass Mela­to­nin sogar wirk­sa­mer ist als Vit­amin E.

Mela­to­nin-Man­gel

Steht dem Kör­per zu wenig Mela­to­nin zur Ver­fü­gung, kann es zu Schlaf­stö­run­gen kom­men. Die­ser Man­gel kann ver­schie­de­ne Ursa­chen haben: Ent­we­der fehlt es am Grund­bau­stein, dem Tryp­top­han, oder aber dein Kör­per pro­du­ziert dar­aus zu wenig Mela­to­nin. Ein Tryp­top­han-Man­gel kann zum Bei­spiel auf eine Man­gel­er­näh­rung zurück­zu­füh­ren sein.

Du fragst Dich, ob Du zu wenig Tryp­top­han zu Dir nimmst und ob dies zu einem Mela­to­nin-Man­gel führt? Die­se Lebens­mit­tel sind sehr reich an der Ami­no­säu­re und kön­nen hel­fen, die Mela­to­nin-Pro­duk­ti­on zu steigern:

  • Hül­sen­früch­te
  • Nüs­se
  • Fisch
  • Fleisch
  • Eier
  • Käse

Wird von Dei­nem Kör­per trotz aus­rei­chen­der Tryp­top­han-Ver­sor­gung zu wenig Mela­to­nin pro­du­ziert, kann das auch an Dei­ner Schlaf­hy­gie­ne lie­gen. So kann es bei­spiels­wei­se hel­fen, auf elek­tri­sches Licht und tech­ni­sche Gerä­te am Abend zu ver­zich­ten. Ob auch Blau­licht­fil­ter-Bril­len hel­fen kön­nen, erfährst Du hier.

Ein wei­te­rer Grund für eine zu gerin­ge Mela­to­nin-Pro­duk­ti­on ist die Ent­fer­nung der Zir­bel­drü­se bei einer Ope­ra­ti­on. Die Stu­di­en­ergeb­nis­se hier­zu sind aller­dings sehr unter­schied­lich, ein Mela­to­nin-Man­gel mit dar­aus fol­gen­den Schlaf­stö­run­gen konn­te nicht in allen Stu­di­en nach­ge­wie­sen werden.

Mela­to­nin-Spie­gel messen

Die Zir­bel­drü­se bil­det Mela­to­nin, schüt­tet es aber sofort aus und spei­chert es nicht. Dadurch kann der Mela­to­nin-Spie­gel sehr gut im Blut­plas­ma bestimmt wer­den. Aber auch im Urin kann der Mela­to­nin-Spie­gel indi­rekt gemes­sen wer­den. Hier nutzt man die Men­ge an 6‑Sulfatoxymelatonin, das beim Abbau von Mela­to­nin in der Leber entsteht.

Mehr zum Thema

Du willst mehr zum The­ma Mela­to­nin erfah­ren? Lies auch unse­re Arti­kel über Mela­to­nin als Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel und Ver­bes­se­rung Dei­nes Schlafs mit­hil­fe von Mela­to­nin.


Henry Kay

Hen­ry Kay

Hen­ry stu­diert Kul­tur- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaf­ten in Fried­richs­ha­fen und hat wäh­rend des Stu­di­ums gemerkt, wie stark sich der Schlaf auf die Belast­bar­keit und Kon­zen­tra­ti­ons­fä­hig­keit aus­wir­ken. Hen­ry befasst sich inten­siv mit dem The­ma Schlaf und möch­te sein Wis­sen weitergeben.

Nach oben scrollen
Scroll to Top