Traumfänger im Wind

War­um träu­men wir?

Lese­dau­er 4 Minu­ten
  • Wir träu­men in der REM-Schlafphase
  • Bestimm­te Hirn­area­le sind wäh­rend des Traums beson­ders aktiv
  • Träu­me hel­fen uns, Emo­tio­nen zu verarbeiten
  • Im Traum wird gelern­tes Wis­sen kate­go­ri­siert, abs­tra­hiert und verinnerlicht
  • Träu­men för­dert die Kreativität

Träu­me sind ein natür­li­cher Bestand­teil unse­res Schlafs. Jede Nacht durch­lau­fen wir meh­re­re Pha­sen, in denen wir träumen.

Wir ver­fal­len in einen Zustand, in dem wir in eine alter­na­ti­ve Wirk­lich­keit ein­tau­chen. Wir hal­lu­zi­nie­ren. Sehen und füh­len Din­ge, die gar nicht in echt pas­sie­ren. Füh­ren gan­ze Unter­hal­tun­gen im Schlaf oder han­deln auf Arten, die in Wirk­lich­keit unmög­lich sind.

Die Fra­ge ist, gibt es dafür einen bestimm­ten Grund? Hat das Träu­men einen tie­fe­ren Sinn oder Zweck? Lan­ge Zeit haben Träu­me die Wis­sen­schaft vor ein Rät­sel gestellt. Aber durch moder­ne Mess­me­tho­den, wie MRT (Magnet­re­so­nanz­to­mo­gra­phie) und EEG (Elek­tro­en­ze­pha­logramm) konn­te das Geheim­nis des Träu­mens zu einem gro­ßen Teil gelüf­tet werden.

Fan­gen wir von vor­ne an. Und beschäf­ti­gen wir uns mit der fol­gen­den Frage.

Wer vom Träu­men spricht, der redet auch von REM-Schlaf. Denn hier fin­den unse­re Träu­me statt. Wer schon von die­ser Schlaf­pha­se gehört hat, weiß wie wich­tig sie für uns ist. War­um? Weil in die­ser Pha­se unse­re Erin­ne­run­gen sor­tiert und abge­spei­chert wer­den. Unser Kör­per erholt sich von den täg­li­chen Stra­pa­zen und sam­melt das gelern­te Wissen.

Aber zur Ruhe kommt unser Gehirn dabei nicht. Ganz im Gegen­teil. Wäh­rend der REM-Pha­se fan­gen man­che Gehirn­be­rei­che erst so rich­tig an zu arbei­ten. Beson­ders aktiv sind:

  • Die visu­ell-räum­li­chen Regio­nen im Gehirn
  • Der moto­ri­sche Kor­tex -> zustän­dig für Bewegung
  • Der Hip­po­cam­pus -> zustän­dig für Erinnerungen
  • Amyg­da­la und Gyrus Cigu­li -> Ver­ar­bei­tung von Emotionen

Die­se Berei­che sind im Traum fast dop­pelt so aktiv, wie im Wach­zu­stand. Unser ratio­na­les Ent­schei­dungs­zen­trum (der prä­fron­ta­le Kor­tex), ist wäh­rend des REM-Schlafs dage­gen fast voll­stän­dig deaktiviert.

Wir ver­ar­bei­ten im Traum also unse­re Erleb­nis­se aus dem Wach­zu­stand. Aber wie wirkt sich das Gan­ze auf unse­re Träu­me aus?

Die Ant­wort scheint nahe­lie­gend. Die Erleb­nis­se des Tages begeg­nen uns im Traum wieder.

Aber halt. Wie oft hast Du wirk­lich Erleb­nis­se dei­nes Tages im Traum wie­der­ge­se­hen? Oder noch bes­ser: Wie oft hast Du von etwas ganz ande­rem geträumt?

Ich neh­me an, mehr als ein­mal. Und genau zu die­sem Ergeb­nis ist auch eine wis­sen­schaft­li­che Stu­die zu dem The­ma gekom­men: Gera­de mal 2% der täg­li­chen Erleb­nis­se (also Orte, Per­so­nen und Hand­lun­gen) kom­men in unse­ren Träu­men vor.

Ganz anders sah es mit Emo­tio­nen aus. Denn hier gab es eine Über­schnei­dung von 35% — 55% zwi­schen Wirk­lich­keit und Traum. Was uns im wachen Zustand beschäf­tigt, erle­ben wir also im Traum wieder.

Und damit haben wir einen wich­ti­gen Grund, aus dem wir träu­men. Träu­me hel­fen uns dabei, emo­tio­nal belas­ten­de Situa­tio­nen zu ver­ar­bei­ten. Durch den Traum wird unse­re emo­tio­na­le Reak­ti­on von dem Ereig­nis bzw. dem Aus­lö­ser getrennt.

Des­halb durch­le­ben wir nicht jedes Mal die­sel­ben Gefüh­le, wenn wir an eine schmerz­li­che Erin­ne­rung den­ken. Zeit allei­ne heilt also nicht alle Wun­den. Son­dern unser Schlaf.

Doch REM-Schlaf allei­ne reicht nicht aus. Wir müs­sen auch von der ent­spre­chen­den Erfah­rung träu­men, um sie zu ver­ar­bei­ten. Doch das ist noch nicht alles.

REM-Schlaf kann Erleb­nis­se des Tages kate­go­ri­sie­ren und dar­aus abs­trak­tes, über­ge­ord­ne­tes Wis­sen und Kon­zep­te ablei­ten. Das gilt sowohl für erlern­tes Wis­sen, als auch für Emotionen.

Neh­men wir unser sozia­les Zusam­men­le­ben. Hier deu­ten wir stän­dig die Emo­tio­nen ande­rer Per­so­nen. Ein Zucken der Mund­win­kel, Fält­chen um die Augen oder eine bestimm­te Kör­per­hal­tung ver­ra­ten uns eine gan­ze Men­ge über die Gedan­ken und Gefüh­le unse­res Gegenübers.

Aber nichts davon haben wir bewusst ler­nen müs­sen. Intui­tiv wis­sen wir ein­fach, was eine bestimm­te Mimik oder Ges­tik bedeu­tet. Und ein Grund dafür sind unse­re Träume.

Sie hel­fen uns dabei, Gelern­tes aus sozia­len Situa­tio­nen auf neue Situa­tio­nen anzu­wen­den. Was wir tags­über erfah­ren, wird mit bestehen­dem Wis­sen ver­mischt und bestimmt dann unse­re neu­en Hand­lungs- und Denkmuster.

Auf die­se Wei­se wird unser sozia­ler Kom­pass in unse­ren Träu­men immer wie­der neu jus­tiert. Aber auch ande­re Infor­ma­tio­nen wer­den auf die­se Wei­se abs­tra­hiert und in bestehen­des Wis­sen eingeordnet.

So kön­nen Kin­der Gram­ma­tik­re­geln sicher in neu­en Zusam­men­hän­gen ver­wen­den, ohne die jewei­li­ge Situa­ti­on vor­her schon ein­mal erlebt zu haben.

Doch das ist noch nicht alles, was Träu­me für uns tun können.

Von den vor­ge­stell­ten Effek­ten des Träu­mens, ist die­ser ver­mut­lich am wenigs­ten über­ra­schend. Ist Dir schon ein­mal eine Lösung für ein Pro­blem im Traum gekom­men? Oder eine krea­ti­ve Idee?

Du bist nicht der Ein­zi­ge. Man­che Künst­ler ver­trau­en ganz bewusst auf eine gestei­ger­te Krea­ti­vi­tät im Traum. Rol­ling Stones Sän­ger Keith Richards soll jede Nacht mit sei­ner Gitar­re und einem Auf­nah­me­ge­rät ins Bett gegan­gen sein. Im Traum ist ihm dann die Idee für den berühm­ten Song „Satis­fac­tion“ gekom­men. Paul McCart­ney von den Beat­les soll im Schlaf die Melo­die von dem Song „Yes­ter­day“ ein­ge­fal­len sein.

Aber was ist der Grund, für die­se gestei­ger­te krea­ti­ve Leis­tung? Zum einen liegt das an einer höhe­ren Akti­vi­tät der ent­spre­chen­den Hirn­re­gi­on. Im Traum ist unser Gehirn bis zu 35% krea­ti­ver, als im wachen Zustand.

Das äußert sich durch eine krea­ti­ve Ver­schmel­zung von Infor­ma­tio­nen. Wis­sen wird im Traum nicht nur kate­go­ri­siert. Es wird auch auf ein­zig­ar­ti­ge Wei­se wie­der zusam­men­ge­führt. Gedan­ken und Gefüh­le, die schein­bar nicht zusam­men­pas­sen, kön­nen im Traum ein völ­lig neu­es Bild her­vor­brin­gen. Oder eine neue Per­spek­ti­ve eröff­nen, auf die wir im Wach­zu­stand nicht gekom­men wären.

Fazit: Allei­ne die REM-Schlaf­pha­se reicht nicht aus, um Erin­ne­run­gen in gelern­tes Wis­sen zu ver­wan­deln. Wir müs­sen auch davon träumen.

Du möch­test dei­nen Schlaf ver­bes­sern und unge­stört ins Reich der Träu­me abdrif­ten? Ver­suchs mal mit unse­ren 12 Tipps für einen gesun­den Schlaf.


Marius Derkum

Mari­us Derkum

Mari­us stu­diert Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaf­ten und Digi­ta­les Mar­ke­ting. Wäh­rend sei­ner Stu­di­en­zeit hat er die dras­ti­schen Fol­gen eines unste­ten Schlaf­zy­klus am eige­nen Kör­per gespürt. Um sei­ne phy­si­sche und psy­chi­sche Leis­tung zu ver­bes­sern, hat er sich des­halb inten­siv mit dem The­ma Schlaf aus­ein­an­der­ge­setzt. Sein Ziel ist es, durch infor­ma­ti­ve und unter­halt­sa­me Arti­kel die Bedeu­tung eines regel­mä­ßi­gen Schlaf­rhyth­mus aufzuzeigen.

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